Jasper – zwei Tage voller Highlights
Die Kälte holt uns früh aus dem Zelt und die Heizung im Auto läuft auf Hochtouren. Einen Sommer in Kanada hatten wir uns anders vorgestellt, zumal wir vor wenigen Tagen im Dinosaur Provincial Park noch weit über 30 °C hatten. Aber gut, in den Bergen muss man auf alles gefasst sein. Und im Grunde sind wir es auch. Mit dicken Socken, Schal und Mütze ausgestattet geht es los – das Ziel am Abend: Jasper!
Nach einem kurzen Foto-Stopp am Bow Lake biegen wir links Richtung Peyto Lake ab. Der Weg führt uns noch weiter den Berg hinauf – es wird also kälter. Wir biegen rechts in den Parkplatz für Autos ab und laufen die Teerstraße weiter hoch. Leichter Schnee setzt ein und wir ziehen die Mützen etwas tiefer. Es ist sehr früh am Morgen und es ist ruhig und nichts los. Wir hätten daher auch weiter oben parken können. Der Platz ist eigentlich als Wendeplatz für Reisebusse reserviert, aber wer früh kommt und nur den Ausblick genießen will kann auch ganz oben parken. Der Fußweg auf der Straße ist jedenfalls nicht sonderlich spektakulär.
Der Blick auf den Peyto Lake hingegen umso mehr. Der See zeigt sich in eine herrlichen Türkiston und sieht tatsächlich so aus, wie die Hochglanzbilder in jedem Kanada-Reiseprospekt. Wir setzen unsere Fußstapfen auf die leicht verschneite Aussichtsplattform und genießen den Augenblick.
Zurück im Auto und weiter den Icefields Parkway in Richtung Jasper. Und plötzlich passiert es, einfach so: Ein Bär läuft auf die Straße! Wir hatten die Hoffnung eigentlich schon aufgegeben und nun das. Gemütlich und von uns vollkommen unbeeindruckt läuft der Bär auf die Straße und wieder nach rechts. Uns gelingen ein paar Bilder des vom feuchten Wetter zerzausten Bären bevor er wieder quer über die Straße nach links in den Wald verschwindet. Was für ein Erlebnis und alles ging so schnell!
Zum Glück dauert es noch ein paar Kilometer bis zu unserem nächsten Stopp. Wir brauchen noch etwas um unseren Bären zu verarbeiten. Aber dann wartet auch schon der Parkplatz des Mistaya Canyon auf uns. Es ist weit und breit kein anderes Auto zu sehen und ein wenig verloren fühlen wir uns schon, als wir ein Stück durch den Wald laufen, um zum Canyon zu kommen. Nicht, dass wir hier zu Fuß auf einen Bären treffen. Aber die Sorge ist umsonst, wir werden im ganzen Urlaub keinen Bären mehr zu Gesicht bekommen.
Den Mistaya Canyon hingegen erreichen wir nach einem kleinen Fußmarsch. Der kleine Fluss hat hier über Jahrhunderte eine tiefe Schneise ins massive Gestein gefräst. Beeindruckend was Wasser mit der Zeit alles erreichen kann. Ein paar Fotos später machen wir uns wieder auf den Weg tiefer in die Berge der Rocky Mountains einzutauchen. Nächster Halt: Athabasca Gletscher.
Am Columbia Icefield Discovery Centre haben wir zum ersten Mal an diesem Tag den Eindruck nicht alleine unterwegs zu sein. Es herrscht vielmehr der Eindruck des Gegenteils von alleine. Hier ist eine Menge los und Busladungen von Touristen wuseln umher. Wir verschaffen uns einen Überblick über die Angebote und sind uns einig das Discovery Center wieder zu verlassen. Eine Tour auf den Gletscher in großen Off-Road-Bussen führt den Schutz desselbigen dann doch etwas ad absurdum.
Vom Columbia Icefield Discovery Center haben wir schon einen guten Blick auf den Gletscher, aber wir wollen noch näher heran. Wir fahren gegenüber in die Straße und parken, um den Toe of the Athabasca Glacier Trail zu nehmen. Dieser ist mit Hinweisschildern ausgestattet, die alles Wichtige rund um den Gletscher und das Gletschervorfeld erklären. Auch, dass Gletschervorfeld im Englischen tatsächlich glacierforefield heißt. So hätten wir es auch übersetzt…
Leider endet der Weg am Fuß der Endmoräne und leuchtend blaues Gletschereis hautnah zu erleben bleibt uns verwehrt. Dennoch haben wir einen guten Blick auf den Gletscher und an den schuttbedeckten Ausläufern schimmert zaghaft reines blaues Eis hindurch. Ein Anblick, den hoffentlich noch weitere Generationen erleben können.
Wenig später erfüllt sich auch ein weiterer Tiersichtungswunsch unsererseits, als ein Dickhornschaf auf der Straße trottet. Vorbildlich am Straßenrand und entgegen der Fahrtrichtung! Der Tag ist jetzt schon super und hat noch viele weitere Highlights vor sich!
Vorbei durch das imposante Bergpanorama machen wir unseren nächsten Halt beim Parkplatz der Sunwapta Falls. 18 Meter tief stürzt das Wasser des Athabasca Gletschers hier ins Tal und zwar direkt in Parkplatznähe. Um ein wenig den anderen Touristen zu entgehen und uns ein wenig die Beine zu vertreten beschließen wir den Weg weiter zu den Lower Sunwapta Falls zu nehmen. Etwa zwei Kilometer später fällt der Fluss erneut mit großem Getöse in die Tiefe.
Und der Tag hat noch weitere Wasserfälle zu bieten. Weiter den Icefield Parkway entlang gelangen wir zu den Athabasca Falls. Hier sind es 23 Meter, die das Wasser ohrenbetäubend in die Tiefe stürzt. Von der Kraft mit der das Wasser hier fließt ist wenige Meter flussabwärts nichts mehr zu sehen. Ruhig und friedlich fließt es dahin auf seinem langen Weg bis in den Arktischen Ozean.
Auch wir brauchen heute keine große Action mehr und so sind wir froh in Jasper anzukommen und unser Zelt aufzubauen. An der Einfahrt werden wir auch von einigen Wapitis empfangen. Doch was ist das? Am Eingang zum Sanitärhaus hängt ein Warnschild: Achtung Grizzlys! Diese kommen auf den Campingplatz, um dort die jungen Wapitis zu jagen, welche sich dort aufhalten, um durch die Nähe zum Menschen vor den Bären geschützt zu sein. Vor wenigen Tagen wurde auf dem Campingplatz ein Wapiti von einem Grizzly gerissen. Funktioniert ja hervorragend die Strategie der Wapitis.
Duschen und Zähneputzen findet daher nur in Begleitung statt und nachts nochmal auf die Toilette zu gehen fällt auch aus. Gut, dass wir im Zelt vor einem hungrigen Bären nichts befürchten müssen.
Jasper ist besser als Banff!
Am nächsten Morgen machen wir uns auf den Weg nach Jasper, um auf typisch kanadische Art in einem Tim Hortons zu frühstücken. Kaffee, Donuts und WLAN lassen uns den Tag fröhlich beginnen. Insgesamt gefällt uns Jasper wesentlich besser als Banff. So genau können wir es gar nicht sagen, aber Jasper hat mehr Flair und wirkt nicht so touristisch überlaufen.
Gestärkt geht es zu einer Wanderung am Maligne Canyon. Ähnlich wie tags zuvor am Mistaya Canyon zeigt sich hier die ganze Macht von Wasser und Zeit. Eine tiefe Rinne hat sich hier in den Fels gebohrt. Teilweise so tief, dass wir von oben den Fluss in den tiefen Felsschluchten nichts mehr sehen können. Der Weg führt über letztlich sechs Brücken ins Tal, wobei die ersten vier Brücken recht eng beieinander liegen und sich hier die schönsten Abschnitte des Canyon befinden. So wandern wir auch bis zur vierten Brücke und genißen bei herrlichem Sonnenschein die Natur.
Wir fahren weiter zum Medicine Lake und haben einen tollen Blick über den See. Dieser hat keinen sichtbaren Abfluss und dennoch variiert der Pegelstand im Laufe des Jahres, da ein riesiges unterirdisches Abflusssystem den Wasserstand verändert. Für die Indianer galt der See dennoch als „schlechte Medizin“. Spontan ob des guten Wetters entscheiden wir uns nach Jasper zurück zu fahren und den dortigen Mount Whistler mit der Seilbahn zu erobern.
Mit Kanadas höchster und längster Luftseilbahn, der Jasper Skytram, geht es auf den 2470 Meter hohen Berg, der seinen Namen von den pfeifenden Murmeltieren hat und nicht mit Whistler, in British Columbia zu verwechseln ist. Auch wenn die Seilbahntickets schon sehr teuer sind – mittlerweile 52 kanadische $ – ist die Aussicht eine ganze besondere. Wir blicken auf Jasper, Seen und Wälder, die nur durch die rundherum aufragenden schroffen, grauen Berge mit kleinen Schneeresten begrenzt werden. Oben angekommen erwartet uns weit jenseits der Baumgrenze ein schmaler Weg, der uns noch höher hinaufsteigen lässt.
Auch hier gesellt sich ein Goldmantelziesel neugierig ganz in unsere Nähe, um kurz zu schnuppern dann wieder davon zu rennen. Es ist kühl hier oben und nach ein paar Schritten merken wir auch die Höhenluft. Wir haben daher beim Verschnaufen noch mehr Zeit den Ausblick zu genießen. Immer mehr Wolken ziehen auf und wir beschließen wieder in Richtung Seilbahnstation zu gehen. Ein Hagelschauer setzt ein und wir kommen an der Station an, bevor der Schauer stärker wird.
Also wieder ab ins Tal. Die Seilbahn fährt jedoch bei dem Wetter nicht und wir warten daher etwa 15 Minuten bis das Wetter sich wieder beruhig hat und wir letztlich wieder bei angenehmen Temperaturen und Sonnenschein im Tal ankommen.
Soviel Anstrengung hat Entspannung verdient und wir fahren zu den etwa eine Stunde entfernten Miette Hot Springs. Würden wir in Deutschland zwei Stunden Fahrt aufnehmen um abends einfach für ein Stündchen in heißem Wasser zu liegen? Vermutlich nicht, aber wir haben uns längst an die Dimensionen in Nordamerika gewöhnt und eine Stunde Fahrt ist quasi gleich nebenan. Auf dem Weg kommen wir an herrlich fotogenen Wapitis vorbei und der Parkplatz der Hot Springs ist von einer Herde Dickhornschafe bevölkert. Der Parkplatz hat sozusagen Dickhornschaf-Garantie, denn diese leben hier ganzjährig!
Bei sommerlich warmen Außentemperaturen wirkt das Wasser jedoch nicht ganz so angenehm, wie bei leichtem Regen und Kälte in Banff. Es lässt sich aber gut aushalten. Abends gönnen wir uns in Jasper herrliches Essen bei North Face Pizza. Es gibt Pizza und schmackhafte Honey-Garlic Chicken Wings, während im Hintergrund der Fernseher läuft und die Chicago Blackhawks den Stanley-Cup holen. Mehr Kanada als in den letzten zwei Tagen ist fast nicht möglich.
Unser Fazit: Einfach grandios. Der Weg von Banff nach Jasper ist gepflastert mit einer Attraktion nach der nächsten und auch die wilden Tiere sind uns regelmäßig über die Straße gelaufen. Eine ganze Reihe von Stop-and-Go Sehenswürdigkeiten machen die Strecke zu einem perfekten Roadtrip, wie man ihn sonst nur schwer findet. Für uns heißt es jedoch wieder Abschied nehmen von den Rocky Mountains, denn es geht weiter Richtung Westen.