Auf den Spuren der Bisons – Elk Island National Park
Von Rocky Mountain House fahren wir knapp 2 ½ Stunden nach Edmonton und verbringen eine Nacht auf dem Rainbow Valley Campground. Was sich bei der Planung noch als recht gut anhörte, enttäuscht leider in der Realität etwas. Edmonton ist nicht unsere Stadt.
Der Campground ist schön, aber nach zwei Wochen Roadtrip haben wir ein kleines Tief und können uns nicht so recht aufraffen. Wir verzichten nach unserer Calgary-Erfahrung auf den Besuch von Edmonton Downtown und verbringen den Tag weitestgehend auf dem Campingplatz. Zum Nachmittag entschließen wir uns doch noch dem nahen Fort Edmonton Park einen Besuch abzustatten. Doch es bleibt bei dem Plan. Wir kommen etwa 1 ½ Stunden vor der Schließung des Park an und kehren angesichts des Preis von knapp 30 $ pro Person wieder um. Schade!
Am nächsten Tag machen wir uns dann auf den Weg zu unserem eigentlichen Ziel : Elk Island National Park. Der Nationalpark ist vollständig umzäunt und verspricht eine höhere Huftierdichte als in der afrikanischen Serengeti. Wir sind gespannt auf große Bisonherden, Elche und Co! Nach nicht einmal einer Stunde Fahrt erreichen wir auch schon den Park.
Unseren Zeltplatz haben wir schon im Vorfeld gebucht und bezahlt. Schließlich ist ein solch tierreicher Nationalpark sicher ein Ziel jeder Menge Touristen. Leider gibt es im Park nur ein kleines Visitor Center mit wenig Informationen zu Flora, Fauna und dem Park, sodass wir uns direkt in Richtung Astotin Lake Campground aufmachen. Zuvor biegen wir aber noch auf die Bison Loop Road und nach wenige Minuten sehen wir auch die ersten Bisons im Wald grasen. Wahnsinn, hier sind wir richtig!
Am Zeltplatz sind wir allerdings auf uns allein gestellt. Es gibt zwar ein Service Häuschen, was allerdings den ganzen Tag unbesetzt bleiben sollte. Welcher der Plätze nun für uns reserviert ist? Keine Ahnung. Wir entscheiden uns erst mal für eine kleine Wanderung am Astotin Lake und uns später darum zu kümmern. Das Wetter ist bedeckt und alles wirkt recht verlassen. Schon seltsam, wenn man bedenkt, welche tierischen Highlights im Park warten sollen.
Wir entscheiden uns für den Lakeview Trail und haben tatsächlich eine gute Sicht auf den großen Astotin Lake. Eine Gruppe Pelikane schwimmt nicht weit weg. Nach dem Kolibri der zweite Vogel, den wir nicht unbedingt in Kanada vermutet hätten. Wir gehen weiter und die Büsche am Weg werden immer dichter und versperren zum Teil den Weg. Zudem werden wir von zahlreichen Mücken attackiert! Wir haben zwar kein Insektenschutzmittel, aber lange Kleidung! Die Überwucherung wird stärker und die Mücken zahlreicher, sodass wir beschließen umzukehren.
Am Campground ist immer noch niemand zu sehen und wir suchen uns einfach einen netten Platz und werfen den üblichen Briefumschlag in die Box, allerdings mit dem Hinweis alles schon vorher bezahlt zu haben.
Wir starten den zweiten Versuch einer Wanderung und fahren zum Beaver Pond Trail. Die Park Broschüre verspricht: „Good for viewing plains bison, moose, beaver and waterfowl“. Der Weg ist im Grund recht schön und führt auch an einigen Biberburgen vorbei. Neben ein paar Wasservögeln sehen wir hier aber vor allem wieder zahlreiche Mücken. Kein Wunder: Elk Island National Park ist ein einziger Sumpf mit vielen kleinen Seen und Tümpeln. Ein Paradies für Mücken! Von der versprochenen hohen Huftierdichte sehen wir an unserem ersten Tag nicht viel. Vielmehr kommen wir in den Genuss, der vermutlich höchsten Moskito-Dichte der Welt!
Wir beschließen daher wieder per Auto auf Tiersafari zu gehen und sehen am Straßenrand immer mal wieder einzelne große Bisonbullen. Schöne Tiere, die es in ganz Nordamerika früher in Massen gab. Wir laufen einen kleinen Teil des Living Waters Trail und sehen ein paar Biber und eine Bisamratte. Zudem gibt es herrliche Aussichtspunkte auf weite Flächen. Was wäre es schön hier zu stehen und auf eine große Herde Bisons zu blicken. Dies ist uns aber nicht vergönnt. Auf den Wegen finden sich jedoch auch die Hinterlassenschaften der Bisons. Die Tiere halten sich also durchaus hier auf!
Der Tag neigt sich dem Ende und wir kehren zum Campground zurück. Zuvor halten wir noch an einem kleinen See. Jonas hat einen Biber erspäht! Einige Minuten später ragt ein Kojotenkopf aus dem Wald und schaut in unsere Richtung – viel besser als ein Biber!
Auge in Auge mit den Tieren
Am nächsten Tag wollen wir endlich mehr Bisons sehen! Wir suchen uns den Hayburger Trail raus. Ein 11,6 km langer Rundweg – Good for viewing bison and moose. Sehr gut! Voller Tatendrang laufen wir los. Vom Parkplatz aus geht es in den Wald und ein ganzes Stück gerade bevor der kreisförmige Rundweg beginnt. Wir gehen nach links, mit dem Uhrzeigersinn. Wir laufen mitten im Wald und fragen uns schon, wie wir hier denn irgendwelche Tiere entdecken sollen, die nicht fliegen und ständig versuchen uns zu stechen. Einige Kilometer später schrecken wir ein White Tail Deer auf! Endlich ein Tier, wir sind auf der richtige Spur.
Wir kommen immer wieder an mehr oder weniger frischen Bison-Häufchen vorbei. Je frischer diese sind, desto näher die Tiere. Mit jedem frischen Häufchen steigt unsere Vorfreude endlich Bisons zu sehen. Wir kommen auf eine größere Lichtung und der Geruch nach Bisons liegt in der Luft. Neben Häufchen und Fellbüscheln sind hier zahlreiche sandige Kuhlen. Hier halten sich die Tiere eindeutig öfter auf. Es scheint eine Art Sammelplatz zu sein. Der Wanderweg führt mitten durch! Was passiert eigentlich, wenn wir die Tiere hier überraschen?
Wir haben keine Zeit über die Antwort nachzudenken, denn wenige Meter später geht es eine Anhöhe hinauf und wir sehen sie: Bisons. Eine große Herde nur einige hundert Meter entfernt. Dann geht alles ganz schnell: Unsere Anwesenheit schreckt einen Kojoten auf , der wiederum die Bisonherde aufscheucht. Kojoten nach links, Bisons nach rechts! Schon wenige Sekunden später sehen wir die Bisons nur noch durch die Bäume nach rechts abhauen.
Und wir? Nun, der Weg führt weiter geradeaus und dann nach rechts, in Richtung weglaufender Bisons. Wir sind etwa bei der Hälfte des Rundweges angekommen und haben somit die gleiche Distanz zum Parkplatz zurückzulegen, egal ob wir umkehren oder weiterlaufen. Wir denken aber auch gar nicht ans umkehren, schließlich verläuft der Weg regulär hier entlang und wir haben die Bisons nur kurz gesehen. Also langsam hinterher!
Es scheint als treiben wir die Bisons etwas, denn hinter den dünnen Baumreihen lässt sich erspähen, dass die Bisonherde immer noch in Bewegung ist. Genau in Richtung unseres Rundwegs. Wir laufen weiter und bleiben stehen. Bisons – Wir haben plötzlich nur noch eine kleine Baumreihe zwischen uns und ein paar der Tiere. Sie sehen uns noch nicht, denn wir laufen auf die seitlich stehenden Tiere zu, um dann dem linksabbiegenden Weg zu folgen. Leise machen wir uns dran vorbei, um die Tiere nicht aufzuschrecken.
Leider macht uns der Weg einen Strich durch unsere Rechnung. Dieser biegt nämlich weiter nach rechts ab und ermöglicht den Bisons freien Blick auf uns. Wir sehen die Bisons, sie sehen uns. Noch sind beide Seiten unsicher, was zu tun ist. Dann entscheiden die Bisons. Sie haben Jungtiere und beginnen in unsere Richtung zu rennen! Der Boden bebt, die Tiere kommen näher und wir nehmen die Beine in die Hand. Wir laufen, als ob wilde Tiere hinter uns her sind, und sie sind es auch! Der Weg führt über ein paar Höhenmeter wieder in den Wald hinein. Wir sind erst mal sicher. Aber das war nicht die gesamte Herde Bison, denen wir gerade Aug in Aug geblickt haben. Wo ist der Rest?
Unsere Euphorie und Hoffnung nach jeder Kurve endlich Bisons zu sehen kehrt sich ins Gegenteil. Nach jeder Wegbiegung sind wir froh keine Tiere zu entdecken. Um unsere Angst und die Tiere zu vertreiben haben wir ab hier stets ein lautes Lied auf den Lippen! In hohem Tempo legen wir die fehlenden fünf oder sechs Kilometer in Rekordzeit zurück. Es kommt uns aber wie eine Ewigkeit vor. Die Mücken attackieren uns weiter, werden aber von uns ignoriert. Wir haben nur noch Gedanken für Bisons. Wir kommen an weiteren Sandkuhlen und eindeutigen Bison-Trampelpfaden vorbei. Mitten im Wald ohne jegliche Ausweichmöglichkeit für die Tiere oder für uns. Worauf haben wir uns nur eingelassen?
Endlich erreichen wir das Ende des Waldes und sehen unser Auto. Gerettet! Wir haben genug von Bisons und fahren zu unserem Zelt zurück. Was für eine Wanderung! Und auch heute noch finden wir die Wegführung im Park unverantwortlich, zumal man nirgends erfährt, was bei Kontakt mit den Tieren zu beachten ist. Diese wollten uns gegenüber eindeutig ihre Jungtiere schützen. Bei Bären wären wir wenigstens theoretisch vorbereitet gewesen!
Den Rest des Tages verbringen wir rund um den Astotin Lake. Die tierischen Highlights auf dem Living Waters Boardwalk sind ein hübscher Orange-Schwarzer Vogel (Rotflügelstärling) und eine Ente mit blauem Schnabel (Schwarzkopfruderente).
Unser Fazit: Der Park ist leider nicht so sehr gepflegt wie die kanadischen Nationalparks der Rocky Mountains. Und die Mückenplage hat unser Erlebnis zusätzlich getrübt. Die Wege sind zwar recht gut angelegt, aber gerade nach unserem Bisonerlebnis stellen wir uns schon die Frage, ob das alles gut durchdacht ist, wenn diese die Sammelplätze und Trampelpfade der Tiere kreuzen. Da wir aber weder vorher noch nachher von zahlreichen Bison-Touristen-Attacken lesen, scheint im Großen und Ganzen alles gut zu gehen. Für uns bleibt der Park ewig in Erinnerung. Wann hat der moderne Mensch schon mal die Möglichkeit vor einem wilden Tier wegzurennen! Beim nächsten Mal wird uns der Blick aus dem Auto jedoch genügen!