Estland – Perle des Baltikum
Nach unserer großen Tour durch Kanada entschieden wir uns 2016 dafür, wieder ein kleines Stückchen mehr von Europa zu erkunden. Denn tatsächlich muss man nicht 10 Stunden über die Weltmeere fliegen, um einen tollen Urlaub zu erleben. Die Wahl fiel auf Estland; ein leider von vielen unterschätztes Ländchen. Der baltische Staat ist insbesondere für diejenigen interessant, die in die Geschichte und das Flair der ehemaligen Sowjetunion eintauchen wollen. Gleichzeitig gibt es aber auch eine tolle Naturlandschaft zu entdecken, denn 50 % der Landfläche ist bewaldet. Ebenfalls gibt es eine riesige Moorlandschaft zu erkunden, die wir so noch nie gesehen haben und auch wahrscheinlich nicht noch einmal sehen werden. Etwas ganz Besonderes eben.
Estland ist ein recht kleiner Staat und genau deswegen auch für eine etwas kürzere, aber dafür intensive Tour wie geschaffen. Das Klima ist gemäßigt und eher kühl; also genau das Richtige für uns Nordliebhaber. Nach unseren wirklich guten Erfahrungen in Schweden und Kanada entschieden wir uns auch in Estland dafür, das Land mit dem Mietwagen zu erkunden. In Estland reicht – bis auf ein paar Ausnamen – aber ein Kleinwagen völlig aus. Der wird nach der Tour wahrscheinlich wie bei uns ziemlich verstaubt und verdreckt sein, aber bei den Straßenverhältnissen braucht man wirklich keinen großen Geländewagen. Ebenso bereuen wir die Entscheidung nicht, nach unserer Tour durch Estland am Ende noch einen kurzen Abstecher mit der Fähre nach Helsinki zu machen.
Wir starten unseren Urlaub in Tallinn, einer wirklich tollen und charmanten Hauptstadt. Unsere Unterkunft, das United Backpacker Hostel liegt in der Nähe des Freiheitsplatz (Vabaduse väljak) und ist ein idealer Startpunkt, um die Stadt zu erkunden. Wir starten mit der Altstadt. Vom Kik in de Kök, einem Kanonenturm mit einem markanten roten Dach, kann man buchstäblich in die Küchen der anliegenden Häuser schauen. Weiter geht es u.a. zur Alexander-Nevski-Kathedrale und zum estnischen Parlament. Vom Toompea aus hat man einen fantastischen Blick auf die Stadt. Vorallem vom Aussichtspunkt „Patkuli“ ist die Aussicht super! Am „Tornide väljak„, dem Platz der Türme, sieht man noch mehr von den Kanonentürmen mit den roten Dächern und die parkähnliche Grünanlage davor lädt zum Seelebaumeln lassen ein. Wir besuchen das Estonian Museum of Natural History, den Rathausplatz und besteigen den Rauthausturm. Unsere Füße schmerzen und das nicht zuletzt auch wegen des ganzen Kopfsteinpflasters in Tallin. Sollten wir noch einmal dorthin fahren – was so unwahrscheinlich gar nicht ist – werden wir gut gepolsterte Schuhe im Gepäck haben!
Am nächsten Tag heißt es Zoo, Zoo, Zoo! Ähnlich wie das Groundhoping zu Sportevents gehören verschiedene Zoos definitiv auch zu den Aktivitäten, die wir nach Möglichkeit auf unseren Touren mitnehmen wollen. Wir starten mit dem alten Teil des Zoos, der die sehr schlechte Tierhaltung vergangener Tage noch sichtbar macht. Viele der Tiere werden in kleinen Käfigen mit Gitterstäben und auf Beton gehalten. Hier fühlen wir uns ganz besonders in die Zeit der Sowjetunion zurückversetzt. Aber der neue Teil des Zoos kann sich sehen lassen. Raubkatzen, Schimpansen, Afrikanische (!) Elefanten (die wir wirklich sehr sehr selten in Zoos sehen!) und jede Menge Tiere des Berglandes können sich über ihre toll ausgebauten Gehege freuen. Tallinn soll auch den Zoo mit der höchsten Dichte an verschiedenen Ziegenarten europaweit haben. Wir haben jedenfalls noch nie so viele und vor allem unterschiedliche Ziegenarten zu Gesicht bekommen. Daher freuen wir uns durch den Eintritt beizutragen, dass der Zoo weiter modernisiert werden kann. Mit dem guten Gefühl geht es wieder zurück in die Stadt und wir schauen uns noch das Schloss Katharinental mit seiner tollen und einzigartigen Parkanlage an.
Am dritten Tag holen wir unseren Mietwagen am Hafen ab. Das ganze läuft wirklich unproblematisch und es geht bei Nieselregen und grauem Himmel los in Richtung Lahemaa Nationalpark. Wir nehmen den Käsmu hiking trail trotz schlechtem Wetter und sind vom Wald, den vielen Findlingen und dem Blick auf die Ostsee begeistern. Wir übernachten in der Arma Riding Farm and Holiday Home und genießen am nächsten Tag ein tolles Frühstück quasi direkt am Ostseestrand.
Und es ist auch gut, dass wir gut gefrühstückt haben, denn uns stehen lange Fahrten bevor: Unser erstes Ziel ist der Peipus See, der fünftgrößte See Europas an der Grenze zu Russland. Leider können wir den leeren und goldgelben Strand viel zu kurz genießen, denn unser Zeitplan ist straff. In direkter Umgebung zum See gibt es am Straßenrand überall kleine Stände, die frischen Fisch verkaufen. Wir nutzen die Gelegenheit und decken uns an einer Tankstelle mit einer Leckerei ein. Bis zum Tageshightlight, dem Soomaa Nationalpark, sind es noch 200 km zu fahren. Wir wandern am Riisa õpperada auf einem Boardwalk durchs Moor. Boardwalks haben irgendwie immer etwas Tolles an! Man hat das Gefühl, inmitten des Moors zu sein. Nach ein paar wirklich entspannten Stunden in einer tollen Naturlandschaft geht es weiter nach Pärnu. Unser Hotel (Hommiku) liegt mitten in der Stadt. Abends machen wir noch einen Abstecher zum Strand und essen Pizza. Allerdings werden wir feststellen müssen, dass es gar nicht so einfach ist in Estland eine Pizza ohne Hackfleisch oder Blauschimmelkäse zu bestellen.
Am nächsten Taggeht es nach Virtsu und von dort aus mit der Fähre auf die Insel Saaremaa, einem unser selbst auserkorenen Highlights des Urlaubs. Wir übernachten in einem Hotel in Arensburg (Kuressaare) in unmittelbarer Nähe der Bischofsburg von Kuressaare. Das besichtigen wir natürlich zuallererst. Das Schloss ist von einem breiten Wassergraben und Schlossmauern umgeben. Die Bauweise ist den Türmen in Tallinn ähnlich. Wieder sehen wir die markanten röten Turmdächer. Nachdem wir dort ein bisschen verweilt und Energie getankt haben – denn ja, die Atmosphäre dort hat irgendwie etwas entspanntes, auch wenn man viel zu Fuß auf dem Gelände unterwegs ist – machen wir uns auch den Weg zum Kaali Meteoritenkrater. Der Krater entstand vor etwa 4000 Jahren durch einen Meteoriteneinschlag und es ist ein toller Anblick. Es ist eben nicht nur ein Loch in der Erde. Im Anschluss geht es zum Wahrzeichen der Insel: Zu den Windmühlen von Angla Tuulikumägi. Zum Abschluss des Tages fahren wir noch zu den Panga Cliffs. Die Klippen sind 20 Meter hoch und laden dazu ein, einen Rundumblick über die Ostsee zu genießen.
Am Folgetag verlassen wir die Insel Saaremaa und machen uns auf den Weg zurück nach Tallinn. Mit der Fähre geht es wieder zurück aufs Festland. Auf dem Weg zurück in die Hauptstadt machen wir noch einen Abstecher in den Matsula Nationalpark und nehmen dort noch mal einen kleinen Wanderweg über einen Boardwalk mit. Der Nationalpark ist für Vogelliebhaber ein Muss, denn speziell für nistende Vögel wurde der Park angelegt. Einen weiteren Wanderweg über einen Boardwalk müssen wir leider abbrechen, weil wir den Weg irgendwann verlieren und im Gestrüpp landen. Wir drehen um und fahren weiter nach Tallinn, oder eher gesagt zur kleinen Halbinsel Vimsii. Zum Abschluss unserer Tour durch Estland gönnen wir uns einen Aufenthalt im Lavendel Spa Hotel und genießen den Spa Bereich mit Sauna und Pool.
Am siebten Tag sagen wir Tschüss zu Estland und machen uns mit der Fähre auf den Weg nach Helsinki.
Nach wenigen Tagen in Finnland geht es zurück nach Tallinn, denn dort geht unser Flug zurück. Die Überfahrt von Helsinki nach Tallinn nimmt schon etwas Zeit in Anspruch. Deswegen schlendern wir lediglich ein letztes Mal durch Tallinns tolle Altstadt. Wir übernachten im Knight House Hostel direkt an der Stadtmauer und abends essen wir in einem georgischen Restaurant nebenan. Eine gute Entscheidung, denn die georgische Küche hat definitiv etwas zu bieten!
Unser Fazit: Viele Leute sind überrascht, wenn wir von unserer Reise durch Estland erzählen. Auch im Vorfeld, als wir die Reise planten, war die Verwunderung groß. Das zeigt nur, dass Estland ein von vielen weit unterschätztes Land ist. Wir haben hier ganz tolle Erfahrungen gesammelt. Estlands Hauptstadt Tallinn ist wunderschön, wenn auch durch das viele Kopfsteinpflaster manchmal eine Qual. Jedenfalls hat die Stadt viel Charme und viel Sehenswertes zu bieten. Die Insel Saaremaa hat uns begeistert und auch die Nationalparks waren eine tolle Erfahrung. Der Abstecher nach Helsinki lohnt sich ebenfalls, insbesondere weil es quasi ein Katzensprung ist.